Für uns ist es immer spannend, unsere Berufsfachschul-Absolventen nach einigen Jahren wieder zu treffen und ihnen Löcher in den Bauch zu fragen: Wie hat eigentlich alles musikalisch angefangen bei Dir? Was hat Dir die Ausbildung an unserer Berusfsfachschule gebracht? Wie ging’s danach weiter? etc etc.
Vor einiger Zeit haben wir der Münchner Singer-Songwriterin Gwen Allister unseren Fragebogen vorgelegt. Die gebürtige Amerikanerin hat von 2010 bis 2012 unsere Berufsfachschule mit Hauptfach Gesang besucht und gehörte zum ersten Jahrgang, der seine Abschlussprüfung bei uns im Haus ablegen durfte, weil wir im November 2011 unsere staatlich Anerkennung bekommen hatten.
Wie bist Du mit dem Musikmachen in Berührung gekommen?
Meine gesamte Familie ist sehr musikalisch und vor allem in der Kirchenmusik sehr engagiert. Ich kam überhaupt nicht dazu zu überlegen, ob ich Musik machen will oder nicht. Ich war einfach von Anfang an immer mit dabei- sei es bei Orchesterproben meiner Eltern, Hausmusik bei meinen Verwandten inklusive Vorspielen der Kinder, wo jeder zeigen musste was er gelernt hat, Chöre und Orffmusik in der Schule. Das Radio lief auch ständig bei uns zu Hause- entweder Bayern 4 Klassik oder AFN. Das hat mit Sicherheit auch meinen Musikgeschmack mitgeprägt. Und sobald es sich rumspricht, dass man aus einer musikalische Familie kommt, wird man sowieso zu jeder Gelegenheit gleich aquiriert, um Musik zu machen.
In welchem Alter hast Du begonnen, Musik zu machen?
Richtigen Musikunterricht bekam ich zuerst mit sechs Jahren – die übliche Blockflöten-Geschichte. In der Grundschule nahm ich am Orff-Unterricht teil und sang im Chor, obwohl ich am Anfang noch gar nicht die Texte lesen konnte und einfach irgendwas gesungen habe. Mit 7 bekam ich dann den heiß ersehnten Klavierunterricht. Aber so nebenbei bekam ich schon von klein auf immer etwas Musikunterricht, inklusive Theorieunterricht von meinen Eltern, und wurde ständig auch animiert, selbst Musik zu machen, oder habe den Erwachsenen zugehört, wenn sie musizierten. Auch wollte ich als Kind schon immer komponieren: Ich hatte ein Notenheft, da hab ich einfach wahllos Noten reingekritzelt. So fing das an.
Was war Dein erstes Instrument?
Bei uns stand ein Virginal im Wohnzimmer, darauf habe ich immer gespielt, ich besitze es auch heute noch.
Wann hast Du Dich entschieden, Musik zum Beruf zu machen? Gab es einen konkreten Auslöser dafür? Wenn ja, welchen?
Mit Ende 20 hatte ich so einiges an Jobs und Berufen ausprobiert und nichts war von langer Dauer, da ich einfach Pech mit meiner Berufswahl hatte und deswegen auch nicht mal eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen konnte. Als Hobby habe ich aber immer Musik gemacht und mit der Zeit wurden es mehr und mehr Engagements. Ich gründete meine eigene Band und brachte mein erstes Album heraus. Trotzdem bin ich nie wirklich auf die Idee gekommen, Musik zu meinem Beruf zu machen. Beim Surfen im Internet stieß ich dann zufällig auf die Website der Neuen Jazzschool und dachte mir: Das wär doch was! Da könnte ich dann mit dem Abschluss als Musiklehrerin arbeiten. (Was „Gescheites“!) Während der Ausbildung an der Jazzschool hat sich für mich dann am Ende aber herauskristallisiert, dass meine Stärken nicht im Unterrichten liegen, sondern im Komponieren, Performen und Konzepte entwickeln. Als ich angefangen habe zu akzeptieren, dass ich nicht im pädagogischen Bereich arbeiten möchte, war das wie eine Befreiung.
An was erinnerst Du Dich besonders gern während Deiner Berufsfachschul-Ausbildung?
In der Jazzschool habe ich die Mitmusiker für meine Band „Cat & The Kings“ kennengelernt und wir hatten manchmal Zeit, in der Pause mit der Band neue Songs einzustudieren. Das war natürlich super. Außerdem habe ich dort neue Freundschaften geknüpft, und wir hatten eine nette Zeit zusammen an der Jazzschool. Und ist es wirklich toll, den ganzen Tag etwas Kreatives zu tun und Lehrer zu haben, die selbst musikalisch erfolgreich aktiv sind.
Was hat Dir nicht so zugesagt bei Deiner Berufsfachschul-Ausbildung?
Für mich war schwierig, mich wieder an Hausaufgaben, Tests und Lehrer als Respektspersonen zu gewöhnen, da ich die Ausbildung in der Jazzschool mit 30 Jahren angefangen habe, meine eigene Schulzeit davor eher negativ besetzt war und ich früher immer Ärger in der Schule hatte. Da kamen so manche Erinnerungen hoch… Allerdings habe ich auch viele positive Erfahrungen im Bezug auf Schule in der Jazzschool machen können. Sozusagen fast schon eine kleine „Therapie“.
Was ich aus fachlicher Sicht nicht so gut fand war, dass man z.B. beim Chorsingen immer die gleiche Stimmlage singen musste. Das hätte mir mal gut getan, wenn ich auch mal beim Sopran mitsingen hätte können. Ähnliches bei den Ensemble-Workshops: Ich hätte es toll gefunden, dass man mal bei jedem der Workshops mitmacht und nicht immer nur bei einem Lehrer. Genauso fehlte mir ein bisschen die Möglichkeit, das, was wir in Akustik und Recording theoretisch gelernt hatten, wirklich mal in einer Live-Situation im Studio oder auf der Bühne auszuprobieren. (Ich bin eher so der haptische Lerntyp…) Vieles davon ist wahrscheinlich aus organisatorischer Sicht schwierig umzusetzen.
Von was hast Du aus heutiger Sicht am meisten profitiert bei der Berufsfachschul-Ausbildung?
Am meisten habe ich von dem Einzelunterricht bei Barbara Mayr profitiert. Ich habe dort soviel über Gesangstechnik und Lied-Interpretation gelernt, dass ich immer noch nicht alles verarbeitet habe. Ausserdem bin ich immer noch sehr von ihrer fachlichen Kompetenz beeindruckt und schätze ihre absolut professionelle und sympathische Art den Unterricht zu leiten. Gleich danach kommen die Ensemble-Workshops und die verschiedenen Auftrittsmöglichkeiten über die Jazzschool, z.B. bei Präsentationskonzerten im Jazzclub Unterfahrt, im Le Pirat usw.
Sehr wichtig im Nachhinein fand ich auch die Fächer Musikrecht/Musikbusiness und Jazzgeschichte, Musikgeschichte sowie Harmonielehre und Gehörbildung. Was mich selber ein bisschen ärgert ist, dass ich nicht mehr Zeit und Energie für das Pflichtfach Piano übrig hatte – da konnte ich das Angebot leider nicht so nutzen, wie ich es gern getan hätte.
Wie ging Dein musikalischer Weg nach der Berufsfachschule weiter?
Was ich während der Zeit auf der Berufsfachschule angefangen habe, läuft immer noch weiter und es wird immer mehr an Engagements und auch professioneller. Der Weg als selbstständige Musikerin ist nicht einfach und ich wurstel mich mehr oder weniger so durch. Dafür habe ich meinen Traumjob gefunden und es wird nie langweilig. Das ist es mir wert.
Was kann man aus Deiner Sicht an einer Schule wie der Jazzschool für die Berufspraxis lernen und was funktioniert nur learning-by-doing?
Richtig gut sind die Workshops und das Chorsingen für die Praxis, um das Zusammenspiel mit verschiedenen Instrumenten zu üben und das Erlernen von Stücken und Arrangements. Die schuleigene Jam Session ist gerade für etwas bühnenscheue Anfänger eine gute Einstiegsmöglichkeit. Der Kontakt zu anderen Musikern ist auch sehr wichtig – Stichwort Netzwerken. Ich denke, es ist immer eine Mischung aus Theorie und Praxis, wenn es um Musik geht, und wahrscheinlich auch für jeden etwas unterschiedlich zu beurteilen.
Wer sind Deine größten musikalischen Vorbilder und warum sind sie das für Dich?
Ganz vorne: die Beatles. Seit ich vier bin, bin ich Beatles-Fan: Ich finde alles an den Beatles toll. Vorbilder als SängerInnen sind für mich: Joan Osborne, Aretha Franklin, Sheryl Crow, Marvin Gaye, Ella Fitzgerald und viele mehr. Als Gesamtkünstlerinnen: Björk, Patti Smith und Gwen Stefani. Als Komponisten bewundere ich Gershwin, Jobim, Bach und Grieg (und die Beatles natürlich).
Würdest Du einem jungen Menschen heute empfehlen, Berufsmusiker zu werden? Wenn ja/nein, warum?
Generell würde ich jedem raten, das zu tun und auszuprobieren, was er möchte. Bei mir war es so, dass ich schon als Kind unbedingt einen kreativen/künstlerischen Beruf haben wollte, mich aber nie getraut habe, weil die meisten in meinem Umfeld immer gesagt haben: Du musst was „Gescheites“ lernen! Bist wahrscheinlich nicht gut genug dazu, das schaffen nur ganz wenige. Diesen oder jenen Musikstil kannst du nicht authentisch rüberbringen usw. Und jetzt mache ich genau das und es ist das Erfolgreichste und Sinnvollste, was ich bis jetzt beruflich getan habe. Ich finde es daher sehr wichtig, junge Leute in dem zu unterstützen, was sie selbst wollen. Dass der Weg dann schwierig werden kann und man auch scheitern kann oder die Motivation verliert und es gerade im Musikbereich auch ungerecht zugeht, steht auf einem anderen Blatt. Das sollte sich jeder natürlich sehr gut überlegen, das trifft aber auf andere Berufszweige genauso zu.
Was hältst Du für die wichtigsten Voraussetzungen für eine Karriere als Berufsmusiker?
Professionelles Auftreten (Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, seine Arbeit ernst nehmen, respektvoller Umgang mit Veranstaltern, Publikum und (Musiker-)Kollegen, wissen was man kann und was man nicht kann, Respekt vor dem Beruf Musiker). Gerade als Kreativer sollte man meiner Meinung nach auch unbedingt die Fähigkeit zur Selbstreflexion entwickeln oder haben.
Mit welchen Projekten kann man Dich aktuell hören/sehen?
Natürlich mit meiner Band „Cat & The Kings“ (Alternative, Indie, Singer-Songwriter). Unser erstes Album „The great unexpected“ ist 2017 rausgekommen. Aktuell arbeiten wir an unserem zweiten, das 2019 erscheinen wird. Außerdem mit meiner Jazzcombo „Soulfull Jazz„, meinem Folk-Pop-Duo „Meander“ und mit meinem Solo-Projekt „Gwen„.
Gwen Allister live
https://youtu.be/4nXrIj9Zra4
https://youtu.be/4I0FTn-wDhI