Im Rahmen des Erasmus+-Projekts „musician – a profession without borders“ unserer Berufsfachschule war unsere Gesangs- und Chor-Dozentin Barbara Mayr von 12. bis 18. März 2017 zu Gast an der NMV Rigas Doma Kora skola in der lettischen Hauptstadt.
Das Singen stand natürlich im Mittelpunkt bei diesem Austausch. Chöre haben in Lettland schließlich eine lange und geliebte Tradition. Darum hatten wir zeitgleich mit Barbara unsere Berufsfachülerinnen Annelie Schrötter und Susanne Bayeff-Filloff, die bei uns Hauptfach Gesang belegen, an unsere lettische Partnerschule geschickt. Die beiden sollten sich dort vor allem noch intensiver mit Chorleitung und Chorsingen beschäftigen.
Barbaras Riga-Tagebuch:
Montag, 13. März 2017
Um 12 Uhr war ich zusammen mit unseren Berufsfachschülerinnen Annelie Schrötter und Susanne Bayeff-Filloff mit Kristine Freiberga, der Erasmus+-Projektbetreuerin, in der „Rigas Doma Kora Skola“ verabredet. Wir bekamen eine ausführliche Führung durch das Gebäude und lernten die Lehrer der Jazz-Abteilung, deren Leiter Talis Gzibovskis und den Rektor der Schule kennen. Im Zuge des Rundgangs konnten wir schon ein bisschen von den jeweiligen Combos hören. Kristine erzählte uns, dass die unteren Klassen gerade in den Ferien sind, weswegen die Schule etwas leerer und leiser war als üblich.
Um 17.25 Uhr begann die Gospelchor-Probe, die ich anleitete. Es waren ca. 20 Sängerinnen und Sänger anwesend. Wir probten zwei Stücke: die Jazzballade „The Way you look tonight“ und das Warm up „African Call“. Die Sänger (unter ihnen auch Instrumentalisten) haben alle Gesangserfahrung, deswegen ging das Einstudieren schnell und wir konnten uns um Aussprache, Dynamik und Vortrag kümmern. Anija Putnina (Leiterin der Musical Gesangsklasse) unterstützte mich als Korrepetitorin am Klavier. Am Ende der beiden Stunden gab es ein schönes Klangergebnis.
Dienstag, 14. März 2017
Um 9 Uhr hospitierte ich beim klassischen Chor. Chorleitung steht auf dem Programm und jeder Dirigent hat 20 min. Zeit, sein Stück zu erarbeiten. Die Atmosphäre war sehr konzentriert und ruhig. Nach den Schülern arbeitete der Dozent mit dem Chor: Es wurde lettische Literatur geprobt.
Um 10 Uhr gab ich drei Gesangsstunden und lernte Inga Berzina (Dozentin für Jazzgesang an der Doma Kora Skola und an der Musikakademie Riga) kennen. Die Schüler waren aufgeschlossen und sehr interessiert. Improvisation ist ein Hauptbestandteil des Unterrichts, so werden Transkriptionen und freie Soli gesungen. Wir arbeiteten an den Stücken, die für die nächste Prüfung anstanden, oder wählten nach dem individuellen Interesse der Sänger Songs aus. Wir hospitierten uns gegenseitig und kamen anschließend ins Gespräch über verschiedene Methoden und Ansichten.
Mittwoch, 15. März 2017
Um 9 Uhr hospitierte ich beim Solfeggio-Unterricht. Wie genau herangegangen wird, erschloss sich mir nicht ganz, da der Unterricht auf Lettisch stattfand. Die Schüler sangen Linien vom Blatt und bauten Akkorde auf, die sie mit den Silben der Methode benannten.
Um 10 Uhr traf ich mich mit Kristine um noch ein paar Fragen zur Ausbildung zu klären. Wir tauschten uns über die Stundenpläne und die Stundentafeln aus.
Um 10.30 Uhr fand in der Jazzabteilung eine Art Vorkonzert zu den Prüfungen statt. Die Abschlussklasse stellte ihre Stücke zur Abschlussprüfung vor. Auch eigene Stücke werden eingebracht. Alle Lehrer waren dabei, und in der nachfolgenden Besprechung wurde die Leistung analysiert und der Plan für die weitere Arbeit festgelegt. Nachmittags gab ich noch eine Gesangsstunde und hospitierte anschließend noch bei Inga im Unterricht.
Um 18 Uhr probte die Combo, die auch in der darauf folgenden Woche im Jazzclub „Trompete“ in Riga auftreten sollte. Annelie und Susanne waren mit dabei und übten ihr Repertoire.
Donnerstag, 16. März 2017
Um 10 Uhr gab ich einer Sängerin aus der Abschlussklasse eine Gesangsstunde. Sie ist in der darauf folgenden Woche auch zum Austausch zu uns nach München gekommen. Nachmittags war ein Instrumentalvorspiel für die anstehenden Abschlussprüfungen. Die unterschiedlichen Combos präsentierten ihre Prüfungsstücke. Es waren hauptsächlich anspruchsvolle Coversongs. Interessant war der Mix aus eingespielten Tracks und der Mischung aus elektronischem und realem Schlagzeug. Auffällig war, dass die Songs sehr vokalbezogen sind – kein Stück ohne gesungenes Solo.
Freitag, 17. März 2017
Wir hatten einen Termin mit Andrej Jevsjukovs in der Musikakademie. Auch er arbeitet zusätzlich an der Doma Kora Skola. Im Improvisationsunterricht für alle Instrumente und Gesang wurden die verschiedene Herangehensweisen an ein Solo besprochen und ausprobiert. Anschließend fand noch ein Workshop statt. Kristine Freiberga holte uns ab und wir verbrachten die nächste Stunde mit lettischem Essen und einer kleinen Stadttour.
Wieder zurück in der Doma Kora Skola hatten wir die Möglichkeit, bei einer Probe für das Musical „My Fair Lady“ dabei zu sein. Die Abteilung arbeitet für dieses Projekt mit einer anderen Schule zusammen. So werden SängerInnen, Orchester und TänzerInnen miteinander koordiniert um dann mehrere Vorstellungen zu geben. Auch Sänger aus der Jazzabteilung sind dabei.
Das Schulsystem, das Ausbildungsprogramm & Barbaras Fazit:
Die „Rigas Doma Kora Skola“ wurde 1994 gegründet. Zuerst nur mit Chorleitung. Später, 2004, kamen die Gesangsklassen und die Jazzabteilung dazu. Die neueste Richtung ist das Musicaltheater seit 2015. Es werden SchülerInnen ab sieben Jahren aufgenommen. Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung sind sie neun Jahre im regulären Schulunterricht, haben aber zusätzlich musikalische Fächer. Das sind u.a.: Sologesang, Klavier, Chorgesang Stimmbildung, Rhythmik, Harmonielehre, Blockflöte usw. Auch ein Quereinstieg, egal in welchem Zeitrahmen, ist möglich. Nach diesen neun Jahren und einer bestanden Prüfung, können sie die Schüler entscheiden, in welcher Sparte sie weitergehen möchten. Die verschieden Abteilungen haben jeweils vier Kurse/Jahre.
Der Abschluss ist vergleichbar mit dem deutschen Abitur und befähigt zum weiteren Studium. Die Schule verfügt über ca. 30 eigene Wohnungen, für die sich die SchülerInnen bewerben können. Sie zahlen eine sehr günstige Miete. Meist sind es zwei oder drei SchülerInnen pro Wohnung. Die Schule ist staatlich und gebührenfrei.
Die Jazzabteilung hat Platz für zehn bis elf Teilnehmer pro Jahrgangsstufe. Es ist eine sehr familiäre Atmosphäre, was auch ganz in der Absicht des Leiters ist. Ihm ist eine enge und intensive Beziehung zu seinen Schülern wichtig. Zur Abschlussprüfung kommen Dozenten der Rigaer Hochschule/Musikakademie, wobei manche Dozenten hier wie dort unterrichten.
Eine interessante Idee ist, dass jede/r SchülerIn auch Schlagzeug, Bass und Klavier im Trio spielen muss – inklusive solistischer Einlagen. So wird in den Prüfungen ein Ensemble geprüft und die Spieler wechseln jeweils das Instrument. Auch unterschiedliche Stilistiken sind zu spielen: Bossa, Swing und Pop. (In diesem Zusammenhang gab mir Talis eine Schlagzeugstunde und ich tat mein Bestes, meine Hände und Füße unter Kontrolle zu halten…)
Die meisten SchülerInnen haben eigene Bands, so dass Anfragen für Auftritte an sie weitergeleitet werden können. Auch besteht die Möglichkeit in der Schule Songs aufzunehmen, wobei mir Talis erzählt, dass sie im Moment in Verbindung mit einer „Art-School“ sind und dieses Projekt vorantreiben wollen.
Zu bemerken ist, dass die langjährige Beschäftigung mit der Stimme sich bei allen Schülern niederschlägt und einen souveränen und routinierten Einsatz möglich macht. Vor allem bei den SängerInnen ist dies hörbar. Auch die Idee, dass jeder im Trio jedes Instrument spielt, ist für das Verständnis, wie die Instrumente zusammenwirken, von Vorteil. Insgesamt ist das musikalische Level hoch und die Experimentierfreude groß. Den SchülerInnen ist anzumerken, dass sie mit Leib und Seele bei der Sache sind. Neben Mouthpercussion, kleinem Chor (die komplette Band singt), gibt es eingespielten Tracks und technischen Soundspielereien.